· 

Stopp-over in Madrid

1.900 Wörter - Lesezeit ca. 6 Minuten

Bisher kannten wir Madrid nur als Umsteige-Flughafen, als Zwischenstopp auf dem Weg von A nach B. Es war für uns nicht mehr als ein vollklimatisierter Ort des Wartens oder der Eile.

Heute nehmen wir uns Zeit für die Hauptstadt Spaniens.

 

Auf einer Wanderung durch das Stadtzentrum wollen wir Eindrücke sammeln - frei nach dem Zitat Goethes:

Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“.

 

Ganz großer Bahnhof: Príncipe Pío

Airport Madrid

Nach der Landung in Madrid laden wir nur kurz unsere Koffer in unserem Hotel im Vorort Barajas ab und steigen dann sofort hinab
in die Unterwelt. Gemeint ist damit natürlich die U-Bahn, die hier Metro heißt.

 

An der U-Bahn-Station Príncipe Pío kommen wir wieder ans Tageslicht und befinden uns im Herzen der Stadt.

 

Diesen Ort als Haltestelle zu bezeichnen, erscheint uns nicht angemessen. Tatsächlich überrascht uns hier der historische Nordbahnhof der Stadt. Ab 1879 kamen hier einst die Fernzüge aus Frankreich an.

Lange Zeit war der Bahnhof ein vergessener Ort und als Ruine der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Nach seiner Restaurierung erahnt man wieder die Pracht und einstige Bedeutung dieses Bauwerkes. Heute gibt es hier wieder einen Umsteigebahnhof im Nahverkehr, in erster Line aber dient der alte Nordbahnhof nun als stilvolles Einkaufszentrum und mondäne Fressmeile.

 

Palacio Real - der Königspalast

Palacio Real Madrid

Unser nächstes Ziel ist der Park Campo del Moro, der in Sichtweite des Bahnhofes liegt.
Diese Grünanlage wird von einer beeindruckenden Sichtachse durchzogen und präsentiert am anderen Ende den Palacio Real. Dieser Königspalast mit seinen mehr als 3.000 Zimmern hat erstaunliche Ausmaße und soll angeblich mit seiner Größe alle anderen Paläste Europas in den Schatten stellen. Von unserer Position aus liegt der Gebäudekomplex erhöht auf einem Hügel und erinnert eher an eine Festung als an ein Schloss.

Und tatsächlich stand hier früher eine Wehranlage, als in der Gegend noch die Mauren herrschten. Die Festung wurde gegen die anrückenden Christen errichtet. Damals hörte Madrid noch auf den arabischen Namen Magerit, womit auch der Ursprung des Städtenamens geklärt sein dürfte.

 

Plaza de la Armería

Wir brauchen einige Zeit, um den Festungshügel zu erklimmen und das gewaltige Stadtschloss zu umrunden. Unser Ziel ist die Plaza de la Armería.
Hier stehen wir vor dem Haupteingang der königlichen Residenz. Da Familie König hier nicht mehr wirklich wohnt, kann der Palast vom gemeinen Volke gegen ein Entgelt betreten und besichtigt werden.

Plaza de la Armería Madrid

 

Kein Wunder, dass hier jetzt ein touristischer Hotspot ist. Menschen von allen Kontinenten und viele Straßenkünstler tummeln sich vor dem Eingangstor zum Palast.

 

Wir suchen Schatten auf den Stufen, die hinauf zur angrenzenden Kathedrale Santa María führen. Dort sitzen wir etwas erhöht wie auf einer Tribüne und lassen die Szenerie auf uns wirken.

Ein Stehgeiger entlockt seiner Violine barocke Klänge von Johann Sebastian Bach. Das erzeugt eine schöne, wenn auch unerwartete Stimmung an diesem Ort.
Wer erwartet schon protestantische Kirchenmusik in dieser erzkatholischen Gegend? Aber irgendwie passt es doch. Die zahlreichen Touristen aus Übersee stören sich vermutlich nicht an solchen Nuancen. Hauptsache es klingt irgendwie klassisch und damit europäisch.

 

Tapas y más - ein Muss in Madrid

Tapas in Madrid

Wir entscheiden uns für eine Mahlzeit, die ein verspätetes Mittagessen oder ein verfrühtes Abendessen sein könnte.

 

In der Nähe finden wir eine geeignete Tapas-Bar in der Calle de la Almudena. Im Schatten der Markise genießen wir unsere Häppchen und Getränke, während wir die Szenerie um uns herum beobachten.

Gegenüber der Bar steht ein öffentlicher Trinkbrunnen, wie man sie überall in der Stadt findet. Angesichts der spätsommerlichen Hitze sind diese Quellen sehr begehrt bei Einheimischen und Touristen. Es ist üblich, mitgebrachte Gefäße und Flaschen wieder aufzufüllen -gratis. Kleinkinder werden direkt am Zapfhahn von ihren fürsorglichen Eltern abgekühlt.

 

Mercado San Miguel - ein Schlemmertempel

Unser nächstes Ziel ist der berühmte Plaza Mayor. Auf dem Weg dorthin schlendern wir entlang der Calle Mayor und nehmen viele Eindrücke in uns auf. Hier entdecken wir die Markthalle Mercado de San Miguel, deren Schönheit wir nur erahnen können, da sie neben Schlemmerpalast aktuell auch Baustelle ist. Wir vermuten hinter dem abgedeckten Baugerüst eine schöne, historische Fassade. Der Betrieb läuft während der Bauarbeiten weiter und wir bewundern das Angebot an Speisen, die zahlreiche Marktstände präsentieren.

Tapas in Madrid

 

Wir sind uns nach dem Besuch der ehemaligen Markthalle einig:

 

Sollten wir noch einmal nach Madrid kommen, dann werden wir hier richtig auftischen.

 

Dieser Ort ist ein Tempel für Genießer!

Plaza Mayor

Der Plaza Mayor ist beeindruckend, wirkt aber auch ein wenig künstlich, da er von einem einzigen Gebäude umschlossen zu sein scheint. Das wirkt eintönig, wenn auch irgendwie historisch. Wir mögen mehr organisch gewachsene Plätze mit einer Vielfalt an Gebäuden.
Aber dennoch: Man sollte diesen Platz gesehen haben. So denken auch viele andere Touristen, die sich hier selbst oder gegenseitig auf ihren Smartphones verewigen oder einfach nur etwas überfordert herumsitzen.

Puerta del Sol

Nicht weit ist es nun zum offiziellen Zentrum der Stadt und des ganzen Landes. Das ist ein Platz, den alle nur kurz El Sol nennen, was seine Bedeutung noch unterstreicht: Die Sonne, um die sich alles dreht.
Und tatsächlich: Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts nehmen die Fernstraßen des Landes hier bei Kilometer Null ihren Anfang und führen strahlenförmig in alle Himmelsrichtungen - gleich der Sonne.
Von dieser Bedeutung als Zentrum Spaniens bekommen wir heute nicht mehr viel mit, denn längst ist der Platz verkehrsberuhigt und gehört den Fußgängern.

Hier auf der Puerta del Sol finden wir die berühmte Tío Pepe-Werbung. Und hier steht auch der Glockenturm, der alle Spanier am Silvesterabend zu einem eigenartigen, angeblich glücksbringenden Ritual zwingt: Kurz vor Mitternacht wird auf jeden Glockenschlag eine Weintraube geschluckt. Das Fernsehen strahlt dieses Neujahrsbimmeln landesweit aus - für die Kanaren kommt dieses Ritual angesichts der Zeitverschiebung leider immer eine Stunde zu früh. Ob es uns dennoch Glück bringt?

El oso y el madroño Madrid

 

Ein weiteres Kuriosum ist die Statue „El oso y el madroño“. Ein vier Meter hohes Gebilde aus Stein und Bronze stellt einen Bären dar, der sich gerade an einem Erdbeerbaum zu schaffen macht. Diese Darstellung findet sich im Wappen der Stadt wieder und geht wohl auf die Antike zurück, als es in dieser Gegend viele Bären und wohl auch Erdbeerbäume gab. El madroño -könnte der Name der Stadt auch in diesem Wort seinen Ursprung finden?

Wie schon am Königspalast werden wir auch hier auf dem El Sol von unerwarteten Klängen empfangen. Die ukrainische Gemeinde versammelt sich heute, um an ihren Unabhängigkeitstag zu erinnern. Man darf annehmen, dass diese Menschen angesichts der aktuellen Lage heute besonders intensiv und stolz diesen Anlass feiern.

Puerta del Sol Madrid

 

Blau und Gelb sind an diesem Tag die dominierenden Farben auf dem Platz. Sentimental-osteuropäischer Gesang, begleitet von mehreren Akkordeons, übertönt alle anderen Geräusche der Großstadt. Für einen Moment glauben wir uns nicht in Madrid sondern auf dem Maidan in Kiew.

Ein Mahnmal, das nachdenklich macht

In Memoriam COVID - Madrid

Wir setzen unsere Wanderung fort. Am großen Kreisverkehr Fuente de Cibeles überrascht uns ein junges Denkmal. Hier wird mit einer Ewigen Flamme den Opfern der COVID-Pandemie gedacht.

Wir rufen uns in Erinnerung, dass es in Spanien, speziell in Madrid, sehr viele Opfer gab. Wie schnell man doch vergisst! Oder haben wir nur verdrängt?

In diesem Moment erscheint uns dieses Mahnmal sehr angemessen.

Wo bitte geht's zum Prado?

Unser nächstes Ziel ist der Prado, das wohl bekannteste Museum in Spanien. Um dorthin zu gelangen, wandern wir im Schatten riesiger Platanen vorbei am Marinemuseum und passieren den Neptunbrunnen.
Wir erwarten nun ein imposantes Gebäude, das sich mit dem Louvre in Paris messen will. Das Museo Nacional del Prado ist zwar nicht klein, erfüllt aber hinsichtlich seiner Größe dennoch nicht unsere Erwartungen.
Immerhin ist das Museum groß genug, dass uns die Zeit fehlt, ihm einen Besuch abzustatten. Nun haben wir zumindest schon einmal davor gestanden.

So langsam reift in uns der Entschluss, diese Stadt nicht zum letzten Mal besucht zu haben.

 

Parque Retiro - grüner Treffpunkt der Madrileños

Das nächste Ziel ist wieder ein Park, diesmal der wohl größte unter den vielen in Madrid: der Parque Retiro. Wir betreten ihn durch die Puerta Felipe IV.

Parque Retiro Madrid

 

Hier scheinen wir gleich die Schokoladenseite erwischt zu haben. Diese Ecke des Parks nennt sich Jardín del Parterre. Gerade zaubert das Abendlicht eine wunderschöne Stimmung und wir sind schwer beeindruckt von der Gartenanlage.

Uns wird nun klar, warum dieser Teil des Parks den Beinamen „Parterre" trägt, denn wir steigen einige Stufen hinauf zum höher liegenden Bereich des Parque Retiro.

Auf dem Weg zum großen Wasserbecken des Estanque Grande hören wir wieder exotische Klänge. Auf einer Wiese im Schatten der Parkbäume präsentieren mehrere Jugendliche Gesänge aus der Südsee, stilgerecht begleitet von Ukulelen. Es sind keine Straßenkünstler, die auf Geld hoffen. Sie singen und spielen einfach so zum Spaß, vermutlich aus purer Lebensfreude oder auch wegen ihres Heimwehs nach den Inseln im Südpazifik. Verzaubert bleiben wir kurz stehen und lauschen, was mit einem dankbaren Lächeln honoriert wird.

Damit überrascht uns Madrid zum dritten Mal an diesem Tage auf eine Art und Weise, die uns in Erinnerung ruft, dass wir in einer Weltstadt sind, in der die ganze Welt zu Hause ist; so wie die Musik des Komponisten aus Leipzig, stolze Ukrainer oder Insulaner aus der Südsee: Sie alle gehören zu Madrid, so wie Weltklasse-Fußball, Tapas, Jamón Iberico, Francisco de Goya, die Königsfamilie, Bolero oder eigentlich andalusischer Flamenco.

Estanque Grande Madrid

 

Nun stehen wir vor einem der bekanntesten Postkartenmotive der Stadt, dem Estanque Grande, einem künstlich angelegten See, der groß genug ist, um darauf mit Ruder- und Tretbooten herumzufahren. Am gegenüberliegenden Ufer steht das Denkmal für König Alfonso XII.

Palacio de Velázquez

Gleich geht die Sonne unter. Darum beeilen wir uns, um noch den im Park versteckten Palacio de Velázquez zu finden. Dieser Kristallpalast aus Glas und Eisen wurde 1883 im Stil der Neorenaissance errichtet und findet sein Vorbild im berühmten Crystal Palace in London. Mit den Spiegelungen des Abendlichtes ist er wunderschön anzusehen.

Feierabend in Madrid

Damit haben wir unser Tagesprogramm abgearbeitet. Es wird dunkel und wir schlendern gemütlich durch die Grünanlagen. Die Madrileños nutzen den Park intensiv für ihre Aktivitäten nach Feierabend, sei es für Sport oder Vergnügen.
Die Menschen sitzen auf den Parkwiesen, machen Picknick oder genießen einen Drink, sie gehen, walken, joggen, laufen, rollen oder führen ihre Hunde aus. Kinder spielen und toben durch den Park noch lange nach Sonnenuntergang. Wir sind für eine Weile ein Teil des Ganzen, bis wir schweren Herzens den Parque Retiro an seiner nordöstlichen Ecke durch die Puerta de O’Donnell verlassen, um an der Metro-Station Principe de Vergara mit unseren vielen schönen Eindrücken wieder abzutauchen in die Unterwelt Madrids.

 

Fazit eines schönen Tages

Flagge Madrid

Der erste Besuch bleibt nicht der letzte. Wir haben uns heute nur einen ersten Überblick verschafft und die Atmosphäre genossen. Wir freuen uns auf weitere Ausflüge in diese Stadt.

 

Enttäuscht wird, wer hier Touristenkitsch und spanisches Lokalkolorit erwartet. Beeindruckend ist die Architektur, die sich hier in der Innenstadt scheinbar von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die goldenen 20er Jahre des letzten Jahrhunderts richtig ausgetobt hat.

Das Zentrum Madrids ist viel grüner und ruhiger als wir erwartet hatten. Die Parks sind sauber und gepflegt. Die Plätze und einige Straßen sind autofrei. Als Fußgänger fühlt man sich in der City von Madrid willkommen.
Die Atmosphäre haben wir als sehr entspannt empfunden. Die Hektik einer Großstadt fehlte. Obwohl Madrid sicherlich ein Touristen-Hotspot ist, fühlt man sich nicht bedrängt oder angesichts von Menschenmassen überfordert, wie es in Barcelona oder Venedig leider üblich ist.

Madrid überrascht auf angenehme Weise. Man nimmt schöne Erinnerungen mit nach Hause und tauscht sie gegen Vorurteile, die zurück bleiben in dieser schönen Weltstadt.

 human made - AI free by  www.textdesigner.online (C) 2024

 

Write a comment

Comments: 0